Interview mit Ron Carter

Ron Carter darf man wohl mit über 2500 (!!) Aufnahmen ohne Übertreibung zu den wichtigsten Bassisten des 20. Jahrhunderts zählen. 1937 in Ferndale geboren, spielte er zunächst Cello und wechselte dann zum Kontrabass. Von 1963-1968 war er mit Herbie Hancock und Tony Williams Teil der legendären Miles Davis Rhythmusgruppe. Die Bandbreite der Musiker, mit denen er zusammenarbeitete reicht von unzähligen Jazzmusikern über das Kronos Quartett bis zu Musikern wie Aretha Franklin, BB. King und James Brown. Im Verlauf seiner Europatournee im Jahr 2005 traf ich Ron Carter am Morgen nach seinem Konzert in Mannheim.

 

Hallo Ron, super Konzert gestern Abend!

Vielen Dank.

Was ich dich vorab fragen will: Gibt es eine Methode, mit deren Hilfe du dich vor einem Auftritt selbst fokussierst?

In meinem Kopf gibt es eine Geschichte, die ich mir am Abend vor dem Konzert selbst erzähle. Ich mache mir einen Plan, wie die Musik mir helfen kann, diese Geschichte zu erzählen. Ich hoffe immer, dass die Geschichten der Band, also die Geschichte vom Stephen Scott (p),.die Geschichte vom Payton Crossley am Schlagzeug und die Geschichte vom Steven Kroon (perc) die sie an diesem Tag erzählen, alle zusammen in mein Buch passen. Das was du hörst in unser Buch für den Tag.

Du begannst deine musikalische Laufbahn mit dem Cello und hast klassische Musik an der Manhattan School of Music studiert.

Es waren zu wenige Bassisten im Orchester und ich wollte dort spielen. Deshalb wechselte ich zum Kontrabass.

Was waren deine größten Einflüsse als Bassist?

Wahrscheinlich Cecil Payne, der Baritonsaxophonist bei Randy Weston. Ich denke, er hat mich beeinflusst, da er seinen eigenen Sound hatte. J.J. Johnson hat mich auch beeinflusst………..

Ich denke, das waren meine beiden größten Einflüsse.

Du hast auch eine Platte für Oscar Pettiford gemacht.

Ja, ich habe eine Platte mit Songs von ihm gemacht. „Stardust“ mit Benny Golson. Er war nicht wirklich ein Einfluss, ich kannte ihn. Ich wusste, was er machte Deshalb war er kein Einfluss im eigentlichen Sinne. Seine Kompositionen sind phantastisch. Er beeinflusste nicht mein Spiel, aber er war ein sehr wichtiger Bassist in meinem Leben.

Du bist einer der einflussreichsten Bassisten

Well, wenn du das sagst. (lacht)

Wie findest du dich in verschiedene Rhythmusgruppen ein und klingst immer nach dir selbst?

Oh Mann, das ist eine schwierige Frage. Ich vertraue meinem Gefühl wo die Time ist, wo der Puls ist. Ich spielte mit sehr vielen wundervollen Schlagzeugern, die auch meinem Gefühl von der Time vertraut haben. Wenn ich sage, dass der Beat genau hier ist und sie verlassen sich darauf, dass er dort ist wo er hingehört. Es ist einfach zu spielen wenn Menschen diese Art des Vertrauens haben, obwohl es eine große Verantwortung ist. Sie vertrauen darauf, dass dieser Schlag der Erste in der Form ist, der erste „A – Teil“ oder dass mit diesem Schlag die Bridge beginnt. Das mit diesem Schlag der letzte „A – Teil“ beginnt oder mit diesem der „Vamp“. Wenn du Musiker hast, die dir vertrauen und mit dir gehen, ist allen klar, wo man in der Form ist und Jeder richtet den Fokus auf das musikalische Material. Arthur Taylor nannte mich „Checkpoint Charlie“. Das ist der Platz, zu dem Jeder hingeht, um zu schauen wo man sich befindet.

Worauf achtest du am meisten, wenn du mit Schlagzeugern zusammen spielst ?

Ich achte auf verschiedene Dinge. Eines davon ist wie das Schlagzeug gestimmt ist. Auf die Stimmung der Bassdrum und der Standtom. Ich spiele gerne mit Schlagzeugern, die einen höhenreichen Sound auf der Snaredrum haben, wie bei einer Picolosnare. Ich mag den Sound, weil er den Tonumfang des Basses größer erscheinen lässt,. da der Frequenzbereich nicht vom Schlagzeug ausgefüllt wird. Ich höre auf die Stimmung der Bassdrum. Wenn sie nicht auf den richtigen Ton gestimmt ist, löscht sie alle Noten vom Ton D bis zum tiefen C aus. Ich höre auf das Ridebecken, wie der Schlagzeuger den Puls spielt. Ich höre auf die Hihat, um zu begreifen wo er den Puls sieht. Ich achte auf all diese Dinge.

Du hast auch viele Platten ohne Schlagzeug aufgenommen, wie zum Beispiel „Alone together“ oder „Telepathy“ mit Jim Hall (git)

Es ist ein anderer  Sound. Du hast keine weitere Person, wie in diesem Fall einen Schlagzeuger. Du bist nicht mit einer dritten Ansicht beschäftigt. Du bist nur mit deiner und seiner Ansicht beschäftigt. Es ist eine andere Art zu spielen, wenn du deinen Fokus nur auf 2 Personen richtest

Ich finde den Name „Telepathy“ super gewählt für die Platte. Es gibt eine Menge Interaktion mit Jim Hall

Ja, er ist ein wundervoller Musiker. Wenn du mit Leuten oft genug zusammen spielst und aufpasst, wie sie gewisse Phrasen und Akkorde verwenden, weißt du irgendwann welche Möglichkeiten nach gewissen Phrasen kommen können. Der Trick ist die richtige Lösung zu erraten, die er dir präsentiert. Manchmal bin ich ziemlich schnell.

Habt ihr viel für die Aufnahme arrangiert?

Er hat die Arrangements zuhause ausgearbeitet und ich hörte sie das erste Mal beim Konzert. Das war interessant. Es ist mein Job ihn so klingen zu lassen als wäre es abgesprochen.

Mit deiner aktuellen Band hast du die  Platte „ WhenSkyes are grey“ aufgenommen.

Ja, die Latinszene mag diese Platte wirklich. Jazz und Latin Rhythmen mit einem Jazzrepertoire.

Wir haben nicht versucht eine Latinplatte zu machen. Wir haben  nicht das Instrumentarium um eine Latinjazzplatte zu machen. Da sind keine Congaspieler, keine Claven, keine Timbales. Wir wollten nur Jazzsongs mit Latinrhythmen spielen. Die Latinjazzszene hat dies verstanden. Ihre Rhythmen in einer Jazzumgebung. Wir machten diese Platte in 4 oder 5 Stunden.

„Mi Tiamo“ ist ein super Song ohne Klavier.

Wenn du den Song live spielst ist es ein schöner Soundwechsel vom Quartett. Und es gibt Steve (Kroon, Perc) die Chance, Instrumente zu spielen, die er sonst nicht spielt. Wenn nur Bass und Percussion da sind, hört man alles was er spielt. Für mich ist es ein schönes Kissen, um Rhythmen darunter zu spielen.

Du unterrichtest auch.

Ich war bis vor 2 Jahren am Conservatorium.. Aber ich bin nicht mehr am Konservatorium. Ich unterrichte Privatschüler

Sagst du deinen Schüler sie sollen mit dem Metronom üben?

NEIN! Nur wenn wir klassische Übungen wie Tonleitern oder Arpeggios machen. Um herauszufinden, wo der Beat ist. Aber ich sage ihnen nie sie sollen Basslines oder Solos damit üben .Ich denke das ist nicht produktiv.

Mache Leute finden es wichtig Andere nicht.

Ich denke entweder spielst du auf dem Beat oder nicht. Ich glaube die meisten Menschen hören den Puls richtig.

Sie versuchen die Akkorde zu spielen, gut zu intonieren, die richtigen Noten und gute Linien zu spielen. Alle Faktoren spielen hier eine Rolle. Ich glaube jeder hört wo der Beat wirklich ist. Ihre Unsicherheit auf einem dieser Gebiete verschlechtert das Timing. Das Metronom hilft hier nicht. Ich habe das Metronom nur benutzt um zum Beispiel die Bach Cellosuiten zu üben, um mich zum nächsten Takt zu treiben. Oder um schwierige technische Übungen oder komplizierte Qrchesterliteratur zu üben. Ich habe aber nie das Metronom benutzt um Jazz zu üben.

Du hast auch ein Lehrbuch über Basslinen geschrieben Wie kamst du dazu?

Anfang der 60er nahm ich die Platte „Soundpieces“ auf. Es war ein Quartett mit Grady Tate (dr), Steve Kuhn (p), Oliver Nelson (sax) und mir. Nach der Aufnahme nahm er mich zu sich und meinte: „Schreib doch ein Buch darüber wie Basslinien funktionieren. Deine Linien sind so perfekt.“

Was rätst du jungen Bassisten um ihren eigenen Sound und ihre eigene Sprache zu finden?

Das erste was er tun muss, ist sich einen Lehrer zu suchen. Die meisten Bassisten nehmen keinen Unterricht. Wenn überhaupt dann sehr spät. Sie lernen nichts über Harmonielehre. Sie sollten auch etwas Klavier spielen können. Meistens nimmt sie der Bandleader auch nicht zu sich und sagt ihnen: „Du musst dies und das lernen“. So entwickelt sich der Bassist nicht so wie die Band sich entwickelt. Die Band klingt dann nicht besser. Es ist egal wie kompliziert die Arrangements oder die Solos sind. Die Band an sich klingt nicht besser. Ein Weg das anzugleichen ist es Unterricht zu nehmen. So lernt er wie der Bass funktioniert. Er lernt Techniken, die eine breitere Basis haben als das was er immer spielt. Er wird verstehen wie der Bass klingt und wie man ihn zum Klingen bringt. Es sind drei Dinge: Nimm Unterricht. Lerne Klavierspielen, um zu verstehen was deine Bassnote mit dem darüberliegenden Akkord macht. Viele haben davon keine Ahnung und das ist schade, weil gerade das Spaß macht. Eine der interessanten Sachen am Basspiel ist, wie man den Akkord über deiner Bassnote verschieden klingen lassen kann. Die Schüler brauchen harmonische Erfahrung.

Du spielst oft nicht den Grundton des Akkordes

Oh, das mache ich schon, aber ich mache es nicht, wenn die Leute es von mir erwarten. Das ist der Spaß, dass du die Leute dazu bringen kannst anders zu denken. Der Bassist kann ihre Gedanken in eine andere Richtung bringen. Er muss verstehen, dass er eine harmonische Kraft hat Wenn er keine Harmoniekentnisse hat, hat er auch nicht die Kraft. Er hat nicht die Fähigkeiten Jemand dazuzubringen das er etwas anderes spielt. Sie werden so spielen als wärst du nicht da.

Vielen Dank für das Interview.

Für alle die mehr über Ron Carter erfahren wollen gibt es hier einen Link zu seiner Biografie

 

 

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Veröffentlicht von

thobug

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